Wurmannsquick hat wieder einen „Wasservogel“

Auszug aus dem Rottaler Anzeiger vom 19.07.2023: Aufführung mit 140 Mitwirkenden feiert erfolgreiche Premiere – Publikum bejubelt Ensemble mit Standing Ovations

Wurmannsquick. Das Volk jubelt – der Bösewicht ist enthauptet, der Held zum Ritter geschlagen und mit Ländereien entlohnt. Das „Gewege des Purmann“, das heutige Wurmannsquick, kann entstehen. Auch das Herz des edlen Kämpfers kommt endlich zur Ruhe – versinnbildlicht durch den finalen Kuss mit seiner Holden. Die folgenden, minutenlangen Beifallsstürme gelten dann dem 140 Mitglieder starken Ensemble selbst. Das mittelalterliche Freilichttheater-Spektakel „Der Wasservogel“ hat am Freitagabend auf dem Areal beim Schloßberg-Skilift in Wurmannsquick vor mehr als 800 Zuschauern erfolgreich Premiere gefeiert.

Fast vier Jahre hatte es von der ersten Idee der Theaterfreunde bis zu diesem Moment gedauert. Entsprechend gelöst war die Stimmung nach der Premiere bei den Initiatoren: „Genau so, wie wir’s uns gedacht haben beim Schreiben, so haben wir’s heute auf die Bühne gebracht“, freute sich nach der Vorstellung etwa Alois Maier, der mit Sabine Gruber und dem Laienspielberater des Bezirks, Sebastian Goller, für die Regie verantwortlich zeichnete. Er erntete allerdings gleich einen Widerspruch von „Etzelino“-Darsteller Ludwig Reil: „Es ist noch viel, viel besser geworden.“

Zur Erinnerung: 1953 hatte es in Wurmannsquick zuletzt eine „Wasservogel“-Aufführung rund um die Legende zur Ortsentstehung gegeben. Johanna Kronberger, Alois Maier und Hermann Maier von den Theaterfreunden verwandelten die einstmaligen Reiterspiele in ein Bühnenstück – die erste Idee dazu war im September 2019 entstanden. Ab Herbst 2021 nahmen die Planungen Fahrt auf: Die Marktgemeinde übernahm die Rolle als Veranstalterin, nach den Castings wurden monatelang Kostüme geschneidert, Bühnenbilder entworfen und Schwertkämpfe trainiert. Am Schloßberg-Skilift entstand dazu eine eigene „Theaterarena“, die nun eine perfekte Kulisse für die „Welturaufführung in Wurmannsquick“ bildete, wie Bürgermeister Georg Thurmeier mit einem Augenzwinkern die Premiere ankündigte. Gerade in den hinteren Reihen erwies sich allerdings die Sicht auf den vorderen Bühnenbereich als etwas eingeschränkt.

Der Leistung des Ensembles tat dies freilich keinen Abbruch: Hermann Maier lässt die Zuschauer die innere Zerrissenheit des kriegsmüden Söldnerführers Purmann spüren. Nach gewonnener Schlacht gegen die Magyaren im Jahr 913 am „Mordfeld“ bei Ötting ist es Ava, inbrünstig gespielt von Maria Lohr, die das Feuer in ihm wieder zum Lodern bringt. Ihr ist nach einem brutalen Überfall der Magyaren auf die Hochzeitsfeier ihrer Schwester Gesine (Andrea Lohr) die Flucht gelungen. Als verschlagener Bösewicht Etzelino sprüht Ludwig Reil vor Energie – selbst als ihm am Ende vor großem Publikum der Prozess gemacht wird, bleibt er herrlich widerspenstig. Am Ende senkt Herzog Arnulf, robust und mit starker Präsenz dargestellt von Walter Marchner, freilich dennoch den Daumen – und Henker Hauke Hammerl greift zum Beil, um dem durch Burgvogt Christoph Laibinger angestachelten Volk nach einem kräftigen Hieb Etzelinos Kopf zu präsentieren.

Der Ungarnführer ist freilich nicht der einzige, der sein (Bühnen-)Leben lässt. Mit renitenten Landbewohnern machen Etzelino und seine Mannen kurzen Prozess. Für Staunen im Publikum sorgen immer wieder die rasanten Kampfszenen, die ebenfalls ihre Opfer fordern – Bayern und Magyaren stürmen gleich mehrfach mit lautem Gebrüll aufeinander zu und kreuzen die Schwertklingen. Angesichts der Vielzahl an Kämpfern verwandelt sich die Bühne dann in ein veritables Schlachtfeld – das scheinbar wilde Durcheinander ist aber bis ins Detail durchchoreographiert.

Einen Ausgleich zu den Schrecken des Stücks bilden die zarten Bande, die Ava und Purmann knüpfen, mit einigen gelungenen Lachern wartet zudem die fröhliche Hochzeitsfeier im ersten der vier Akte auf. Als mystische „Zeitreisende“ sorgt Sabine Gruber mit stimmiger Mimik und Gestik für Struktur – ihre erklärenden Worte ordnen das Geschehen ein, machen nachdenklich und lassen Bezüge zur Gegenwart zu.

Noch lange nach der gut eineinhalbstündigen Aufführung verweilten viele Besucher am mittelalterlichen „Marktplatz“, der neben der Theaterarena entstanden ist. Zwölf Vereine aus dem Ort sorgen dort für Speis’ und Trank.

Groß waren Stolz und Freude am Ende nicht nur bei den Mitwirkenden, sondern auch bei Co-Regisseur Sebastian Goller: „Ich habe mir schon gedacht, dass es wirklich gut ankommt, aber dass wir Standing Ovations haben, mit dem habe ich nicht gerechnet, das ist schon etwas Besonderes“, sagte der Laienspielberater des Bezirks, der die Gruppe professionell beraten hatte, nach der Premiere. „Vielleicht haben wir heute die Geburtsstunde einer Tradition erlebt in Wurmannsquick.“

 
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